Piraten des SVW auf der IDM 2020 in Röbel/Müritz
Eigentlich sollte die diesjährige Internationale Deutsche Meisterschaft der Piraten schon längst erledigt sein, doch in 2020 ist so ziemlich alles anders.
Ursprünglich wollten die Piraten bereits am verlängerten Wochenende an Christi Himmelfahrt um den Titel „Deutscher Meister 2020“ am Dümmer segeln, aber zu der Zeit war wegen dem Covid-19-Lockdown Regattasegeln unmöglich. Daher wurde der Termin von Mai auf 3. – 6. September verschoben und sollte zusammen mit der IDM der OK-Jollen weiterhin am Dümmer ausgetragen werden. Doch mit zunehmender Präzisierung der Corona-Auflagen der Behörden, wurde auch diese Idee, eine gemeinsame Meisterschaft mit einer weiteren Bootsklasse zu planen, schnell verworfen. Da man eine Begrenzung der Teilnehmeranzahl nicht ausschließen konnte, wollte die Klassenvereinigung doch lieber eine IDM einzig und allein für die Piraten durchführen und dafür besser einen Wechsel des ausrichtenden Vereins in Kauf nehmen, mehr als jede andere Änderung, wie bspw. eine erneute Terminverschiebung.
Gesucht wurde ein Verein mit einem möglichst großen Gelände, um die behördlich angeordneten Hygiene- und Abstandsregeln einhalten zu können. Gefunden wurde der Röbeler Segler-Verein mit seinem weitläufigen Gelände an Land und dem größten deutschen Binnensee, der Müritz.
Von all dem Planungs-Tohuwabohu blieben 2 Piraten-Steuerleute des SV Wakenitz, Niels und ich, unbeeindruckt und meldeten frohen Mutes und voller Euphorie zur IDM 2020. Da Niels die Meisterschaft, ganz gegen jede Gewohnheit nicht mit Birgit, sondern mit Ingo Hüter vom benachbarten Lübecker Segler-Verein segeln wollte und mein Vorschoter Tobias Henke aus Güstrow kommt, traten wir beide als gemischte Teams an.
Bereits Tage vor der Meisterschaft studierten Niels und ich die unterschiedlichsten Wind- und Wettervorhersagen von Windfinder, Windy und Meteoblue. Da sowohl Niels und Ingo als auch Tobias und ich eher unterhalb des angeblich idealen Crewgewichts von 150-160kg liegen, freuten wir uns, dass der Grundtenor dieser Prognosen auf leichten bis mittleren Wind für die 4 Tage hindeutete.
Wie die meisten der 51 gemeldeten Piraten, reisten auch wir im Laufe des Mittwochs an, da an dem Tag noch ab 16:00 Uhr die Registrierung und „Vermessung“ begann. Sowohl durch die mehrfache Umplanung der IDM und der einhergehenden Komprimierung des Programms, aber auch wegen Corona Abstandsregeln, fiel die diesjährige Vermessungsprozedur äußerst sparsam aus. Jeder Teilnehmer bekam bei der Registrierung einen Zettel ausgehändigt, in dem man lediglich bestätigen musste, dass die Segelnummer des Messbriefs mit dem Boot und der DSV-Plakette am Heck, sowie den Segeln übereinstimmen. Ferner war zu bestätigen, dass das im Meßbrief angegebene Bleigewicht auch noch immer im Boot real vorhanden ist und die Abstände der Meßmarken an Mast und Großbaum waren nachzumessen und anzugeben. Zu guter Letzt musste man noch die Nummern der blauen DSV-Plakette in den Segeln auf seinem Vermessungsblatt vermerken. Dies alles, wie gesagt, in Eigenverantwortung und ohne den kritisch prüfenden Blick eines Vermessers.
Am Donnerstag ging es dann richtig los. Am späten Vormittag wurden alle Teilnehmer vom Piraten-Urgestein Heino Leja vom RSVM als Organisator der IDM, dem 1. Vorsitzenden des Vereins Bernward Frieling, dem Bürgermeister von Röbel und dem Wettfahrtleiter Dirk Köhn zu Eröffnung der Internationalen Deutschen Meisterschaft 2020 am Flaggenmast begrüßt – in einer wahrlich großen Runde auf Grund der insgesamt 102 Segler mit dem vorgeschriebenen Abstand.
Der Wettfahrtleiter versprach bei dem für die 4 Tage angekündigten westlichen Wind schwierige Segelbedingungen auf der Müritz und ich nehme es vorweg: er sollte Recht behalten.
Für den ersten Tag waren 2 Wettfahrten geplant und um 13:00 Uhr war der 1. Start angesetzt. Da man bei dem herrschenden Südwestwind ca. 1 Stunde Anreise aus dem Hafen zu Startlinie benötigt, galt es nach den Ansprachen der Offiziellen zügig in die Segelklamotten zu springen und sich in sein Sportgerät zu schwingen.
An diesem 1. Segeltag hatte der Wettfahrtleiter leider eine sehr schlechte Startlinie ausgelegt. Die „Startboje“, die ein kleines Schlauchboot war, war dermaßen bevorzugt, dass man mit Backbord-Bug kaum über die Linie kam. Folglich drängten sich fast alle 51 Piraten an der „Startboje“, um mit dem Startschuss auf Steuerbord umzulegen und zur ersten Bahnmarke zu kreuzen. Das musste jeweils im ersten Versuch schief gehen und die Piratenflotte fabrizierten einen allgemeinen Rückruf. Bei etwa 8-10kn Wind war meist die linke Seite der Kreuz bevorzugt, doch drehte es auch munter, so dass man sich seiner Platzierung erst im Ziel sicher sein durfte. In der 1. Wettfahrt liefen die beiden SVW Piraten noch nacheinander über die Ziellinie – Niels mit Ingo als 21. und Tobias und ich als 22. Wir hatten zuhause am Schanzenberg wohl zu viel zusammen trainiert, dass wir so aneinander klebten ;). In Wettfahrt 2 waren wir auch lange dicht zusammen, aber auf der Zielkreuz wählte ich einen deutlich umständlicheren Weg, als die Konkurrenz und ließ ca. 5-10 Boot durchfahren. Niels konnte sich in der Wettfahrt auf Platz 18 verbessern, während ich den 29. Platz belegte. Am Ende des ersten Tages führten die Brüder Helms mit Platz 7 und 2.
Abends konnte die eigenwillige Startlinie, die Winddreher, die erzielten Platzierungen und die Erlebnisse des ersten Segeltags bei Freibier und einer ordentlichen Portion Pute vom Grillspieß untereinander ausgewertet werden. Der Piraten-Kamerad Daniel Reinsberg hatte insgesamt 8 riesige Puten organisiert, die bereits beim Auslaufen zur ersten Wettfahrt am späten Vormittag auf den Grill kamen und bis 19:00 Uhr dann knusprig kross gegrillt waren und jeder Teilnehmer, wer wollte, auch Nachschlag bekam und somit nicht hungern musste.
Für den 2. Segeltag waren insgesamt 3 Wettfahrten geplant, mit dem 1. Startsignal um 11 Uhr. Das bedeutete etwa 09:30 Uhr Auslaufen, da wieder westliche Winde angekündigt waren, die im Vergleich zum Vortag etwas schwächer wehen sollten, aber mit ähnlichen unerkennbaren Winddrehungen. Jedoch war der Wind im wahrsten Sinne des Wortes tatsächlich nur ein Hauch schwächer. Immerhin hatte der Wettfahrtleiter zwischenzeitlich gelernt, wie eine gute und faire Startlinie zu liegen hat. Nichtsdestotrotz ging bei keiner Wettfahrt der 1. Startversuch regelkonform über die Linie und das gesamte Feld wurde jedes Mal mit 2 lauten Signaltönen und dem 1. Hilfsstander für einen 2. Versuch zurückgebeten.
In der 1. Wettfahrt am 2. Tag (also WF3) bin ich viel zu vorsichtig gestartet und als Quittung erreichten wir nur Platz 31. In WF4 und WF5 bin ich etwas besser aus dem Startblock gekommen und wurde wenigstens in WF4 mit dem 17. Platz belohnt. In WF5 lagen wir am Lee-Gate noch auf einem Platz um die 20, eh ich auf der Zielkreuz die Winddreher nicht richtig erkannte und erneut ca. 10 Boote auf der Zielkreuz verlor – wiederum Platz 31, Mist!. Niels und Ingo erwischten es noch schlechter und erreichte am 2. Wettfahrttag die Plätze 36, 42 und 26. Ab diesem 2. Wettfahrttag wurde das schlechteste Ergebnis bereits gestrichen, sodass wir mit insgesamt 99 Punkten auf Platz 30 dicht gefolgt von Niels und Ingo mit 101 Punkten auf Platz 31 in der Gesamtwertung lagen. Somit war ich zu dem Zeitpunkt hinter meinem persönlichen Ziel in die erste Hälfte zu kommen. Jedoch spiegelte das Zwischenergebnis die schwierigen Windbedingungen und die Leistungsdichte im Piraten wider, denn fast alle Favoriten hatten auch zu dem Zeitpunkt bereits mindestens 1 Streicher auf dem Konto. Beispielsweise Svenja und Butze Platz 20, Familie Ebel Platz 40, die Helms Brüder Platz 26, Peter Anders Platz 28, Frieder Billerbeck (der amtierenden Europameister) konnte mit einem 16 und 18 Platz auch nicht zufrieden sein. Lediglich Kai Köhler und Thomas Heldt, der seit langem mal wieder steuerte, hatten relativ konstant gute Ergebnisse bis dato.
An dem Abend war der sogenannte KV-Abend, die Jahreshauptversammlung der Klassenvereinigung. Viel zu berichten gab es kaum, da die Saison von Corona-Ausfällen gebeutelt, erst Ende Juni mit der ersten Ranglistenregatta startete. Danach war auch nicht mehr viel los, jedenfalls für mich und Tobias. Wir spürten die 2 Wettfahrttage bereits in den Knochen und da auch der 3. Segeltag wieder mit dem 1. Start um 11:00 Uhr beginnen sollte, mit wiederum 3 geplanten Wettfahrten und das obendrein noch mit etwas mehr Wind laut Vorhersage, kam an dem Abend der Leistungsschlaf recht früh.
In der Nacht hatte es begonnen zu regnen und so begann der 3. Tag der IDM ungemütlich nasskalt. Die Windvorhersage vom Vortag stimmte auch, wir starteten Wettfahrt Nr. 6 bei etwa 10kn und im Laufe des Tages steigerte sich der Wind auf durchschnittlich 12-14kn, in Böen auch mal mehr. Dadurch kam zu den nach wie vor drehenden westlichen Winden auch noch die berühmte Müritzer „Hackwelle“, eine unangenehm kurze und ruppige Welle, bei der durch schlechtes Steuern am Wind auch mal eine komplette Welle über’s Vordeck laufen kann. Der Regen hielt sich hartnäckig bis ca. 13 Uhr.
Vielleicht lag es an dem ungemütlichen Wetter und meinem Wunsch möglichst schnell wieder in einen trockenen Raum zu kommen, dass ich am 3. Segeltag deutlich schneller über den Parkour kam. Ich hatte mir aber auch vorgenommen, endlich offensiver vom Start wegzukommen und mich noch in die 1. Hälfte des Teilnehmerfelds zu verbessern. Auch an diesem Tag gab es in jeder Wettfahrt mindestens einen allgemeinen Rückruf. In WF7 und 8 zog der Wettfahrtleiter dann Black-Flag und im letzten Rennen des Tages durften daher auch ein paar Segler früher unter die Dusche.
Mit meinen Starts an dem Tag war ich zufrieden, die Winddreher habe ich meist richtig erkannt und habe nicht, wie an den beiden Vortagen, auf einer Kreuz bis zu 10 Plätze verloren. Im Gegenteil, teilweise konnten wir Plätze gut machen und mit den Ergebnissen 15., 6. und 14. war ich happy und wir konnten uns auch im Zwischenergebnis auf Rang 20 verbessern. Niels und Ingo erwischten es leider nur in einem der 3 Tagesrennen gut und sie ersegelten Platz 29, 36 und 9, konnte sich allerdings auch verbessern auf Platz 30 im Zwischenergebnis.
Für den letzten Abend der Meisterschaft stand das Championship Dinner auf dem Programm, welches durch 2 Fäßer Freibier der Geburtstagskinder Andreas Ebel und Marc Helms gesponsort wurde. Geboten wurde ein tolles und sehr vielfältiges Buffet von einem erstklassigen Caterer, bei dem für jeden Geschmack etwas dabei war. Lediglich mit der Menge an Essen hatten sie sich ein wenig verschätzt und gewundert, wie gefräßig die Piraten sind und wie schnell das Buffet kahl gefuttert war, aber hungern musste dennoch kein Teilnehmer. Da am Abend das Gerücht unter den Güstrower Seglern kursierte, dass für den 4. und letzten Segeltag Windstärke 5-6 (20kn und mehr) vorhergesagt seien und die Tatsache, dass der 1. Start noch mal eine Stunde früher auf 10:00 Uhr angesetzt war, ging es wieder einigermaßen zeitig in die Koje.
Dieselben Güstrower Segler gaben am Morgen des letzten Wettfahrttages Entwarnung, die Vorhersage sei auf schmusige 6-8kn nach unten korrigiert worden und beim Auftakeln war auch nur ein leiser Hauch Wind zu verspüren. Als wir jedoch den langen Schlauch aus Röbel raus, zum Regattagebiet auf die Müritz segelten, kam die „böse“ Überraschung: Schaumkronen auf der Müritz! Schnell wurde klar, Windfinder lag diesmal richtig daneben und es werden nochmal zwei anstrengende Wettfahrten zum Abschluss der IDM. Es waren letztendlich 14-15kn Wind, in Böen manchmal noch mehr. Der Wettfahrtleiter wollte diesmal auch die Zahl der Startversuche minimieren und zog gleich beim 1. Ankündigungssignal Black Flag hoch. In WF 9 erwischte ich einen recht guten Start und wir belegten in dem Lauf Platz 10. In der letzten Wettfahrt bin ich als absolut Letzter über die Startlinie, da mich die Jury etwa 15 Sekunden vor dem Start wegen unerlaubtem Vortrieb anzählte und wir noch fix 2 Kringel als Ersatzstrafe drehen mussten. Nichtsdestotrotz haben wir uns auf der Startkreuz auf den 3. Platz vorgekämpft und bis ins Ziel nur 2 Boote in der Endabrechnung verloren, Platz 5 – super! Niels und Ingo segelten noch mal 2 Platzierungen im Mittelfeld heraus, Platz 22 und 25.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass wir an den 4 Tagen bei sehr guten Windbedingungen (auch wenn manche Drehung unerklärbar war) insgesamt 10 recht anspruchsvolle und spannende Wettfahrten um die Internationale Deutsche Meisterschaft 2020 gesegelt sind. Es waren sehr viele, sehr gute Piratensegler am Start mit dennoch einer bunt gemischten Konkurrenz, bestehend aus neuen, sehr jungen und hoffnungsvollen Jugendteams (die jüngsten Teilnehmer waren 13 Jahre alt) und den „alten“, erfahrenen Hasen. Niels und Ingo sind nur knapp am Ehrenpreis für das älteste Team vorbei geschrammt, worüber sie jedoch nicht sooooo traurig waren, glaub ich. Es fehlten nur wenige Monate, das älteste Team um Detlef „Hegi“ Hegert mit seinem Vorschoter Rainer Bernhard aus Rangsdorf zu übertrumpfen, die zusammen 115 Jahre sind.
Deutscher Meister 2020 wurde fast erwartungsgemäß Svenja Thoroe mit Butze Bredt, allerdings hat die Konkurrenz es ihnen schwerer gemacht als anfangs gedacht. Vize-Meister wurden Andreas und Martin Ebel, gefolgt von Björn und Marc Helms auf Platz 3.
Tobias und ich waren froh in der 2. Hälfte der Meisterschaft noch den Gashebel in unserem Boot gefunden zu haben und sind mit unserem 17. Platz im Gesamtergebnis sehr zufrieden. Niels und Ingo hatten sich im Vorfeld ein wenig mehr erhofft als den 28. Platz in der Gesamtwertung. Jedoch haben sie mit einigen Einzelplatzierungen bewiesen, dass sie durchaus in der Lage waren auch vorne mitzumischen, es fehlte nur ein wenig die Übung, ebenso wie bei Tobias und mir auch, um konstant vorne dabei zu sein. Und ich kann mich nur wiederholen, alle IDM Teilnehmer waren gute Segler mit dichtem Leistungsniveau. Der kleinste Fehler konnte schnell 3, 4, 5 Plätze kosten.
Dem Röbeler Segler-Verein kann ich nur ein ganz großes Lob aussprechen, die es geschafft haben trotz Hygieneauflagen eine so großartige Veranstaltung auszurichten. Ein toller Wettkampf auf dem Wasser war erwartet worden, aber auch das Landprogramm war hervorragend. Lediglich in der Schlange am Championship Dinner Buffet und wenn man die Sanitäranlagen aufsuchen musste war ein Mund-Nasen-Schutz zutragen, ansonst wurde man überhaupt nicht an Corona erinnert, da alles andere draußen an der frischen Luft stattfand und wir uns alle frei bewegen konnten.
Nächstes Jahr wird die IDM anlässlich der Warnemünder Woche stattfinden. Da muss sich der Veranstalter ordentlich bemühen, wenn er die IDM 2020 in Röbel übertreffen möchte.